Drei Jahre Studienzeit sind jetzt fast fertig weggeräumt.
Als ich hier eingezogen bin, kam mein Rechner erst ein, zwei Tage nach mir an. Ich weiß noch, als er endlich auf dem Schreibtisch stand, habe ich gesagt "jetzt wohne ich wirklich hier". Das gleiche hab ich ein paar Wochen später gesagt, als wir Internet bekamen.
Diesmal ist es umgekehrt. Diesmal ist alles schon weg, das Zimmer ist leer - nur der Rechner ist noch da. (Naja, und das Bett und etwas Kram auf den Regalen. Und die Möbel, die dürfen sowieso noch ein Jahr hier wohnen bleiben, ich hab "nur" den Kram mitgenommen.) Der Raum ist nackig und alles ist weg - außer eben dem Bett und dem Rechner.
Nach wie vor ist alles voller komischer Gedanken. Das letzte Mal baden, das letzte Mal Flaschen wegbringen. Ich weiß noch, wie ich das Zimmer abgemessen hab, als es leer war und ich einziehen wollte. Als alles noch vor mir lag. Meine erste eigene Wohnung. Bald nicht mehr meine. Morgen Mittag nämlich.
Das komische ist, dass es mich nicht berührt. Wenn ich daran denke, wie sentimental ich sonst bei solchen Gelegenheiten immer bin, lässt mich dieser Umzug merkwürdig kalt. Ich bin froh, dass ich das meiste schon geschafft habe - das war es aber auch. Vielleicht geht das alles für die ganzen anderen Dinge drauf. Laut dem StudiVZ hab ich 67 Freunde in Rostock. Das Internet nutzt die Bezeichnung "Freunde" anders als wir, aber es bleibt ein Abschied von sehr vielen, sehr großartigen Menschen. Ein paar davon haben Tränen in den Augen, wenn sie sagen, dass sie doof finden, dass ich gehe. Und ich reagiere innerlich emotional, ich bin seit einige Zeit in eine Menge Menschen geradezu platonisch verliebt. Kein Wunder, dass da kein Platz mehr bleibt, ein paar Räumen auch noch nachzutrauern.
Leser, die sich bis jetzt unschlüssig waren, ob das hier ganz große Literatur ist, oder billiger Schund, können aufatmen. Jetzt haben sie Gewissheit. Denn ab heute ist die Autorin dieses Webblogs Inhaberin eines akademischen Abschlusses. Nicht gerade des höchsten, wo gibt, aber immerhin. Damit dürfte ja alles klar sein. Vielen Dank und weiterhin einen angenehmen Aufenthalt.
Trotzdem ein bisschen komisch, das mit mir und dem Streß. Der war jetzt drei Jahre lang hoch und schlimm, machmal habe ich das Gefühl, ich hab mich nie richtig wohlfühlen können. Und jetzt löst er sich auf, ein Problem nach dem anderen. Scheine alle da, wo sie hingehören *puff*, die schlimme Französischklausur überstanden *puff*, dann das gesamte Studium *puff*, BA Arbeit abgegeben *puff*... alles löst sich in Wohlgefallen auf.
Und, gemessen an dem riesen Batzen Seelenblei, den das alles in den letzten Jahren ausgemacht hat, hält sich meine Erleichterung oder Freude in Grenzen. Puff Puff Puff und von dem, was jetzt eigentlich leichter und schöner sein müsste, ist nichts zu merken. Statt dessen fühle ich mich unwohl, wenn alle zum guten Prüfungsergebnis gratulieren. War doch gar nicht so schwer. War gar nicht verdient.
Komisch. So kenne ich mich gar nicht.
Vielleicht sollte man Gefühle, die Stimmung einer Zeit, konservieren können. Eine Dose "Studiumsangst" im Regal, zum Aufmachen und Reinschnuppern. Und dann merken, dass jetzt doch alles irgendwie anders ist, innendrin. Oder eben auch nicht.
Kann eigentlich irgendjemand den letzten Eintrag, Französischstudium und so, sehen? Nicht, dass ihr viel verpasst, ich wunder mich nur, weil ich in nicht sehe.
Am schlimmsten war mein Französischstudium an dem Tag meiner ersten, verhauenen Klausur. Ein verregneter Januartag.
Frisch verlassen und keine Chance, diese Klausuren zu bestehen, ein Albtraum. Ich erinnere mich an das Gefühl, mit hängendem Kopf durch die Fußgängerzone zu schleichen, in die ich in frühgeren, glücklicheren Zeiten nur gekommen war, um mit Freunden wundervolle Sommertage zu verleben, Eis zu essen und zu shoppen.
Dann gab es diesen Moment am Telefon, in Tränen aufgelöst. "Mama, das schaff ich nicht. Das ist so schwer, ich kann das gar nicht schaffen." ich hatte mich schon entschieden, aufzugeben, das Fach zu wechseln. Ein Jahr länger studieren - sei's drum. Aber Mama und mein Bauch haben gesagt, ich soll nicht. Na schön.
Aus dem Küchenzimmerfenster vom Tenor hat man die Philosoiphische Fakultät sehen können. Zwei Jahre lang hatte ich Bauchweh, jedes Mal, wenn ich raus gesehen habe.
Die schlimmste Klausur hab ich vor mir aufgeschoben, hab sie fast als allerletztes gemacht. Das Damoklesschwert meines Studiums in Rostock. Als ich sie geschrieben atte, hab ich mir überlegt, welches Zweitfach ich nun, da ich wohl demnächst exmatrikuliert werden, als nächstes studiere. Politik? Phliosophie? Oder doch Kommunikation?
Eben gerade hab ich meine letzte Prüfung gehabt. Einskommadrei. Ich muss nur dem Sekretariat noch ein paar Unterschriften abringen, die letzten Scheine einsammeln - vielleicht auch nochmal ausdrucken, nochmal ausfüllen, nochmal abgeben und dann erst einsammeln - dann bin ich weg. Ich habe Französisch studiert - nur BA und nur Zweitfach, okay - und ich bin fertig. Ich hab es geschafft, ich war gar nicht so schlecht und es ist vorbei.*
Wehe, meine große, unsterbliche Liebe ist kein Franzose und es hat sich nicht gelohnt.
* Richtig Französisch lernen kann ich übrigens auch später noch, in Frankreich zum Beispiel. Nicht alles auf einmal.
Habe Lust, Batman zu zeichnen. Das heißt wohl, ich fand "The Dark Knight" ziemlich gut. Genau wie die spontanen Gespräche mit anderen Kinogängern und das Sitzen auf der Bank im Park hinterher, das Diskutieren und Auswerten. Gott, wie wird mir alles fehlen.
Wenn ich sie so sehe, ihr so zuhöre, dann wird mir wieder klar, was ich fast vergessen habe. Wie anstrengend es doch ist, verliebt zu sein.
Fast, und das ist neu, bin ich froh, dass es mir gerade nicht so geht. Ihr Blick vorhin, als er den Raum verließ. Das Gefühl kenn ich noch. Auf einmal ist die Welt zweidimensional und nicht mehr bunt. Und ich saß einfach da und konnte mich weiterunterhalten.
Beim Zahnarzt, wenn es weh tut, denke ich immer, dass ich jetzt schon so viele Wochen nicht beim Zahnarzt war. So viele Momente, in denen mir keiner im Mund rumgebohrt hat. Und nicht einmal habe ich gedacht "Oh schön, gerade bohrt mir keiner im Mund rum." Oder wenn man Schnupfen hat und nicht durch die Nase atmen. Kopfschmerzen, Regelbeschwerden. Beim Dauerlauf in der Schule, wenn die Seitenstechen kamen, dachte ich das auch. Die meiste Zeit des Tages, Phae, läufst du gerade nicht und es tut nicht weh. Und merkst du es, würdigst du es? Nein.
Meistens ist es ja doof, nicht verliebt zu sein. Ich finds auch doof, fast ständig. Aber wir denken ja auch gar nicht daran, wie kacke es sein kann, wie anstrengend, wie zermürbend. Ist ja nicht so, dass Amor seine Glückshomone umsonst verteilt. Sollten wir vielleicht mal würdigen, so von Zeit zu Zeit.
Im IGA Park war Licht- und Klangnacht und das Thema war "der kleine Prinz".
Es gibt diesen Spruch, den jeder kennt. Dass richtig gute Freunde die sind, die man tausend Jahre nicht gesehen hat, dann trifft man sie wieder und es ist, als wär es erst gestern gewesen.
Laberrhabarber.
Das mag ja sein und das ist bestimmt auch ganz toll. Tatsache ist aber, dass es auch richtig gute Freunde gibt, mit denen das eben nicht passiert. Ich habe eine Freundin, die mir damals in den ersten Tagen an die Seele gewachsen ist. Ich war so von ihr begeistert, dass ich damals von drei unabhängigen Personen gefragt worden bin, ob ich in sie verliebt sei. War ich wohl auch, platonisch. Nur dass es bei Platon um seelische Schönheit geht, und nicht darum, wie unglaublich cool jemand ist. Sie war und hatte beides.
Cool im Sinne von toll, ungewöhnlich, witzig, begeisternd, berauschend. Nicht im Sinne von lässig und unbeteiligt.
Es hat einfach gepasst, nach dem Kennenlernen liefen wir schnell zur jovialen Höchstform auf. Ich glaube, wir hatten unglaublich viel Potential füreinander und haben es intensiv ausgeschöpft. Wir hatten eine großartige Zeit.
Die ist vorbei. Sie ist weg, sie meldet sich wenig, sie lebt ihr Leben eben da, wo sie gerade ist. Wir mögen uns, sie ist mir noch wichtig. Aber wenn wir uns sehen, dann ist da diese Verlegenheit, das Gefühl, als hätten wir total viel zu sagen. Aber eben nicht uns. An sie denke ich traurig, wenn ich diesen Spruch hören muss, mit den Freunden, die reden, als wäre es gestern.
Mit den Freunden von heute Abend, dem "Juno"abend, ist es anders. Es kann sein, dass wir sind, als wäre es gestern gewesen. Ziemlich. Aber viel mehr sind wir, als reiche das heute nicht. Wir waren gestern zusammen aus, wir waren heute Vormittag brunchen, heute Abend dann dieser Film. Und ich fuhr nach Hause und hatte noch nicht genug geredet.
Ich glaube, die Freunde, mit denen nie genug geredet hat, sind auch ziemlich toll. Das sollte mal jemand gesagt haben.*
* Und ja, ich habe den Zusammenhang zu "ich bin nur glücklich, weil ich mehr davon will" bemerkt. War ja auch leicht. Hab aber trotzdem mit beidem recht, sowas geht im Blog und in der Psychotherapie.
Manchmal gibt es wochenlang nichts, was es ins Blog schafft, und dann kommt alles auf einmal. Dann hat man diese Bloggedanken, die man mit nach Hause nehmen will, und man ist ganz vorsichtig mit dem Kopf, damit sie nicht rausschwappen und verschwinden. Aber dann vermehren sie sich, auf dem Heimweg durch die dunklen Straßen und schwirren durcheinander. Sie ziehen sich wohl gegenseitig an.
Sie sind ein bisschen wie die Fische in diesem alten Bildschirmschoner. Wenn sich zwei begegnen, fressen sie sich auf, werden immer weniger und immer größer. Wenn man zu Hause angekommen ist, haben nur wenige überlebt, aber die haben sich groß gefressen und müssen raus.
Und dann wird egal, dass ich früh schlafen wollte.
Ich habe mit guten Freunden "Juno" gesehen. Vielleicht schaffe ich es noch, was über den Film zu schreiben, aber erstmal muss raus, was dadurch in Gang gesetzt wurde. In meinem Kopf.
Juno sieht aus wie
Chihiro. Total. Ich konnte davon lange nicht wegdenken. Juno ist die menschgewordene Reallifeversion der gezeichneten, japanischen Chihiro. Chihiros Reise ins Zauberland ist mein Lieblingsfilm.
Ich habe ihn in in dem gleichen Zimmer, mit den gleichen Freunden, gesehen, wie heute "Juno". (Ich würde gerne sagen "auf der gleichen Couch", aber die wurde mittlerweile gegen ein großes Bett ausgetauscht.) Es sind sehr gute Freunde, welche der allerbesten. Wir hatten, in den Jahren vor dem Abi, diese zwei Sommer zusammen. Fast jeden Abend waren wir da. Wir gingen auf schlechte Konzerte, sahen Filme, redeten und spielten Konsolenspiele. Es gab eine Zeit, da kam ich nur zum Duschen nach Hause, um dann wieder zu verschwinden, mein Vater war ganz schön sauer. Meine Mutter fragte besorgt nach "Gruppenkuscheln". Es war mein persönliches Sixty Nine. Wir leben heute in fast der gleichen Straße, aber in den letzen Jahren haben wir uns selten gesehen. Es gab eine Blütezeit, danach wurde es weniger, ohne, dass wir uns merklich entfremdet hätten.
Irgendwann, zu Anfang dieser Zeit, zeigten sie mir "Chihiros Reise ins Zauberland". Mein erster Miazaky. Ich war berührt und begeistert, ich fand ihn unglaublich schön und obwohl so surreal und fremd, kam es mir vor, als wäre ich einem neues Lebensgefühl begegnet. Dass gut passte, aber schwer zu greifen und zu halten war.
Ich weiß noch (darauf will ich hinaus), wie ich am selben Abend nach Hause musste und im Dunkeln an der Bushaltestelle saß. Der Film wirkte in mir nach. Ich war glücklich. Glücklich über den Film, glücklich über meine großartigen Freunde, mein Leben, glücklich über den Schnee, der leise fiel (oder bilde ich mir das nur ein?), die Lichter der Laternen und der Autos im Dunkeln, meine Stadt.
Die Sache mit dem Glück ist die, dass ich damals glücklich war, weil ich mich mittendrin fühlte. Am Anfang. Ich war glücklich, weil ich dachte (und das ist ein sehr wichtiges Motiv bei mir) "Und das beste: es fängt alles erst an." Glücklich, weil das, was so schön war, mir gehörte und weitergehen würde. Vor mir lagen unendlich viele wunderschöne Abende mit meinen Freunden.
Das ist wichtig. Deswegen bin ich sehr oft traurig, in diesen Tagen. Weil, wenn etwas schön ist, ich nicht denken kann "Das machen wir bald wieder!" Oder "Wie schön, dass ich das entdeckt habe, das wird sehr wertvoll in meinem Leben werden." Es gefällt mir nicht, dass es so ist, aber an den schönen Dingen ist mir offensichtlich wichtig, dass sie das Potential haben, auch in Zukunft für schöne Erlebnisse zu sorgen, das gibt mir Sicherheit. Und statt dessen muss ich nun denken "Das war vielleicht das letzte Mal", was mir weh tut.
Deswegen ist dieser Gedanke für mich sehr wichtig. Denn heute, habe ich - wegen Juno - an den Chihiroabend zurückgedacht. Den Moment, als ich auf die Bahn gewartet habe. Damals dachte ich, wichtig ist, dass es so großartig weiter gehen wird. Heute aber ist es
genau dieser Moment an den ich mich erinnere, in dem ich sehr glücklich war.